Wenn Schwester Walburga durchgriff
Schwester Walburga kannte in Pforzheim jeder. Sie leitete den katholischen Kinderhort und war bei den Eltern so beliebt, wie sie von den Kindern gefürchtet wurde. Denn Schwester Walburga saß die Hand locker und man fing sich schneller eine Ohrfeige ein, als man denken konnte. Ganz besonders die Mädchen.
Denn die resolute Nonne war davon überzeugt, dass ein gottgefälliges Mädchen folgsam und demütig zu sein hatte. Und dass Ungehorsam und Widerspenstigkeit schon im Keim erstickt werden musten. In so einem Fall wurde die Betreffende unversehens übers Knie gelegt und bekam den Hintern versohlt. Und zwar so, dass sie Grund hatte, zu schreien. Und so lange, bis Schwester Walburga davon überzeugt war, den Geist der Rebellion in ihr gebrochen zu haben.
Das war in den fünfziger Jahrens nichts Besonderes und niemand regte sich darüber auf. Ganz im Gegenteil, das Mädchen konnte froh sein, wenn sie zu Hause nicht gleich noch einmal Dresche bezog. Denn strenge Eltern galten als gute Eltern und wer nicht hören will mus fühlen. Ich habe zwar damals die Mädchen zu so mancher Dummheit verführt. Aber wenn sie dabei erwischt worden waren, habe ich sie doch bedauert. Schon allein deshalb, weil Schwester Walburga nicht zögerte, so einem Früchtchen, wie sie sie sich auszudrücken pflegte, nicht nur den Rock hochzuschlagen, sondern ihm auch noch das Höschen nach unten zu streifen oder zumindest so stramm zu ziehen, dass es nahezu vollständig in der Pospalte verschwand. Bei den Jungs machte sie sich nicht die Mühe und begnügte sich damit, einem frechen Kerl einfach die Hosen stramm zu ziehen, bevor sie mit dem begann, was für sie die einzig wirksame Erziehungsmaßnahme war. Dann konnte man deutlich das Klatschen von Schwester Walburgas flacher Hand hören, während die Bedauernswerte laut kreischte und irgendwann hoch und heilig versprach, nie wieder zu tun, was ihr diese Bestrafung eingebracht hatte.
Der katholische Hort war nicht nur ein Kindergarten. Hier brachten auch arbeitende Eltern ihre Zöglinge unter, damit sie nachmittags nach der Schule ihre Hausaufgaben erledigen konnten. Damals arbeiteten eben auch viele Frauen, doch kein Vater wäre auf die Idee gekommen, seinen halbwüchsigen Sohn oder gar seine Tochter den ganzen Tag unbeaufsichtigt zu lassen. Nein, Halbwüchsige mussten unter Aufsicht sein, damit sie keine Dummheiten machen konnten. Es war nämlich die Zeit des Rock 'n Roll und man hörte immer wieder, dass junge Leute wilde Parties feierten bei denen nicht selten Alkohol im Spiel war.
Junge Mädchen, denen ihre Weiblichkeit allmählich bewusst wurde und die Tendenz hatten, sich aufreizend zu kleiden, waren die besonderen Lieblinge von Schwester Walburga. Hatte eine die vierzehn überschritten, begann ihrer Ansicht nach die schwierige Zeit und man musste äußerste Strenge walten lassen, demit die jungen Dinger auf dem rechten Weg blieben. Deshalb wurden in ihrem Hort auch Jungs und Mädchen getrennt beaufsichtigt und mehrere Erzieherinnen achteten darauf, dass es zu keinen unkontrollierten Begegnungen kam.
Wobei natürlich die erste Menstruation, die ersten keimenden Brüste oder zunehmend weiblicher werdende Formen für eine Nonne kein Grund waren, ihre Erziehungsmethode zu ändern. Ganz im Gegenteil, bei einem Backfisch, wie man seinerzeit einen Teenager nannte, genügte es nicht mehr, einfach mit der flachen Hand für Ordnung und Anstand zu sorgen. Und es gehörte sich nicht, dass pubertierende Jünglinge ihre neugierigen Blicke auf die Szene werfen konnten, wenn ein Mädchen zurechtgewiesen wurde. Also wurden die Bestrafungen im Büro der Oberin vollzogen und Schwester Walburga bestand darauf, diese Aufgabe höchstpersönlich wahrzunehmen.
Trödelte ein Mädchen allzu lange auf dem Weg von der Schule oder wurde gar mit einem Jungen gesehen, kannte Schwester Walburga kein Pardon. Unmoral musste im Keim erstickt werden und ein solches Mädchen verdiente es, auf das strengste bestraft zu werden. Sie fühlte sich vielleicht bereits als junge Dame. Doch sie hatte bewiesen, dass sie sich nicht wie eine Dame zu benehmen wusste. Also musste man mit ihr wie mit einem kleinen Mädchen verfahren. Und das hieß, Rock ausziehen, Höschen abstreifen und über den Tisch mit ihr. Schwester Walburga verstand es, nackte Mädchenhintern zum Tanzen zu bringen. Sie benutzte dafür einen dünnen Rohrstock, der ordentlich durchzog und hässliche Striemen hinterließ, die in ein paar Tagen grün und blau anlaufen würden und sich dabei tief ins Bewusstsein der Sünderin einprägten.
Es waren eben andere Zeiten und besonders kirchliche Einrichtungen beharrten darauf, die seit Jahrtausenden bewährten Erziehungsmethoden aufrecht zu erhalten.