Als Töchter noch gezüchtigt wurden
Respekt heißt vor allem Furcht. Um einem Kind Respekt beizubringen, braucht es die Rute der Zucht. Man muss ihm von Anfang an jeden Funken eines Aufbegehrens austreiben. Man muss es so lange schlagen, bis sein Wille gebrochen ist und sich Rebellion in Gehorsam verwandelt hat.
Denn Erziehung heißt Strenge und und ein folgsames Kind braucht konsequente Eltern.
So oder ähnlich haben die Menschen seit Generationen gedacht und gehandelt. Kinder wuchsen in einem Klima der Angst auf und Eltern sahen ihr vordringlichste Aufgabe darin, ihren Nachwuchs zu fügsamen, folgsamen, gehorsamen Menschen zu erziehen. Dabei war der Vater der Herr im Haus und die Kinder hatten allen Grund, ihm Ehrfurcht und Respekt zu zollen. Denn er war es, der die Rute, den Stock oder den Lederriemen schwang.
"Warte nur, bis Vater heimkommt," war daher nicht die leere Drohung einer überforderten Mutter, sondern die Ankündigung einer schmerzhaften Bestrafung. Denn jeder wusste, was folgen würde. Zuerst hieß es "Geh auf dein Zimmer!" Dann waren Vaters Schritte auf der Treppe zu hören. Und kurz darauf gellten schrille Schreie durch das Haus. Schreie, die weder die Nachbarn alarmierten, noch die Polizei auf den Plan riefen. Denn es ist das Recht eines Vaters, seine Tochter zu schlagen und er kann dies tun, wie er es für richtig erachtet.
Dabei galten Ohrfeigen lediglich als Vorwarnung. Denn eine "richtige" Bestrafung lief nach einem festgesetzten Ritual ab. "Ich musste nach oben gehen und mich bettfertig machen," erinnerte sich meine Oma: "Wir Mädchen wurden grundsätzlich im Nachhemd bestraft. Wenn wir Glück hatten, durften wir es anbehalten. Wenn nicht, wurde es nach oben geschlagen und wir bekamen unsere Senge auf den nackten Hintern. Danach hieß es "ab ins Bett" und wir hatten viel Zeit über unsere Sünden nachzudenken."
Ich habe meinen Urgroßvater nie kennengelernt. Aber ich weiß, dass er eine Vorliebe für die Rute hatte. In seinem Haus gab es eine Vase, in der immer ein Bündel frisch geschnittener Weidenruten bereitgehalten wurde. Die Kinder mussten selbst hinunter an den Fluss gehen und sie von einer alten Trauerweide abschneiden, die dort stand. Solche Weidenruten kennt man seit dem Mittelalter. Und seit damals weiß man, dass sie ihre beste Wirkung auf dem nackten Fleisch der Sünderin entfalten. Oma hatte sechs Geschwister und alles waren Mädchen. Ohne Zweifel sind alle von ihnen mit dem zischenden Geräusch der Weidenrute aufgewachsen und haben ihren brennenden Schmerz verspürt. Zum letzten Mal mit zwanzig Jahren, als sie nach dem Tanz mit ihrem Freund noch an der Hausecke geknutscht und darüber die Zeit vergessen hatte.
Ein bis zum Nabel nacktes Mädchen und ein erzürnter Vater mit der Weidenrute. Eine Minderjährige also, die misshandelt wird. Das wäre heute ein ausgewachsener Skandal. Man würde ihm spontan pädophile Neigungen unterstellen. Die Polizei würde vorfahren. Das Jugendamt würde anrücken. Arzte würden ihren Körper untersuchen und die Hämatome zählen. Die Staatsanwaltschaft würde sich einschalten. In der Presse würde man entrüstete Kommentare lesen.
Oma würde ungläubig den Kopf schütteln, wenn sie noch leben würde.
Sie war nämlich der Meinung, dass die jungen Mädchen heute eigentlich gar nicht mehr erzogen werden. Sie wachsen einfach irgendwie heran, machen was sie wollen und müssen bestenfalls mit einer Woche Hausarrest leben, wenn sie "über die Stränge geschlagen" haben. Das Ergebnis sind kleine Egoisten, die nie etwas anderes gelernt haben, als an sich selbst zu denken und ihren Willen durchzusetzen. Am Ende sind es Freundinnen, Partnerinnen und Ehefrauen, die nie Verbote gekannt haben, nie Anordnungen befolgen mussten und nie gelernt haben, ein Nein zu akzeptieren.
So allmählich beginne ich, zu verstehen, warum sich immer mehr Männer Frauen aus dem Ausland holen, wo man von moderner Pädagogik nichts weiß und seit Jahrhunderten alles beim Alten geblieben ist.