Wer nicht hören will, muss fühlen
Erziehung hieß Jahrhunderte lang nichts anderes, als Regeln festzusetzen und deren Übertretung zu bestrafen. Ganze Generationen sind in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass es es Autoritäten gibt, die man besser nicht hinterfragt.
Sie wussten, dass man Mutter um Erlaubnis fragen muss, bevor man das Haus verlässt. Sie hielten sich dran, wenn Vater bestimmte, dass sie um zehn zu Hause zu sein hätten. Sie schlichen mit gesenktem Kopf nach Hause, wenn sie eine schlechte Note bekommen hatten. Sie zuckten zusammen, wenn ihnen der Lehrherr einen mahnenden Blick zuwarf. Sie gingen mit schlechtem Gewissen zur Beichte, wenn sie etwas ausgefressen hatten.
Der Grund dafür war ganz einfach: Sie hatten von Klein auf gelernt, dass man Eltern gehorchen muss. Denn Mutter sprach höchstens dreimal eine Warnung aus. Beim vierten Mal setzte et etwas mit dem Kochlöffel. Und wenn Vater etwas angeordnet hatte, dann hielt man sich besser dran. Sonst hieß es "Geh auf dein Zimmer!" und wenig später würde man bitter bereuen, sich ihm widersetzt zu haben.
Noch heute bilden sie die Mehrheit auf der Straße. Männer, die mit dem Stock aufgewachsen sind. Frauen, die noch den Lederriemen gespürt haben. Menschen im Rentenalter, die schmerzhafte Erinnerungen an ihre Jugend haben und dennoch der festen Überzeugung sind, dass früher alles besser war. Eheleute, die zu einer Zeit vor dem Traualtar getreten sind, als der Pfarrer nicht darauf bezichtete, die Braut zu Treue und Gehorsam gegenüber ihrem Ehemann anzuhalten. Denn damals damals war es noch absolut straffrei, wenn ein Mann seine Frau züchtigte, weil sie seine Anordnungen missachtet hat. Und eine Tochter, die von zu Hause ausgerissen war, weil sie für irgend eine Missetat eine Tracht Prügel bezogen hatte, wäre nicht im Jugendheim gelandet, sondern von der Polizei umgehend wieder zu ihren Eltern zurückgebracht worden.
Wer vor und nach dem Krieg eine dominante Ader in sich spürte, hatte tausend Möglichkeiten, um sie auszuleben. Denn ein Familienvater, der seine Familie mit eiserner Strenge regierte, genoss die Hochachtung seiner Umgebung. Damals nickten sich die Nachbarn noch zustimmend zu, wenn wieder einmal das Kreischen seiner Tochter im ganzen Haus zu hören war. Verbunden mit Worten, wie "Wie die schon rumläuft, der hätte ich schon lange die Flausen ausgetrieben".
Wer heute in einschlägigen Internet-Portalen nach devoten Frauen Ausschau hält, wurde damals als konsequenter Ehemann gehandelt. Und seine Frau behielt es schamhaft für sich, wenn sie Striemen am Kürper trug, die sie am Abend zuvor von ihm bezogen hatte. Ein Mann hat eben ein Recht auf seine Frau und er darf bestimmen, was sie zu tun und zu lassen hat. Lehnt sie sich dagegen auf, gilt eben das, was sie von Kindheit an gelernt hat: Wer nicht hören will, muss fühlen.