50 Stockhiebe und das jede Woche



Die Menschen tendieren dazu, die Welt nach dem zu beurteilen, was sie gewohnt sind und was ihnen vertraut ist. Ihre Werte sind weitgehend die Werte ihrer Eltern, ihre Moral richtet sich nach dem, was man in ihrem Teil der Welt als Moral empfindet. Und ihr Rechtsempfinden orientiert sich an den Paragrafen, nach denen sich nun mal jeder zu richten hat. Doch Recht und Unrecht sind bei weitem keine weltweit gültigen Maßstäbe. Was in einem Land rechtens ist, kann streng verboten sein, sobald man die nächste Landesgrenze überschritten hat. Was in einem Teil der Welt als selbstverständlicher Teil der Kultur gesehen wird, kann anderswo blankes Entsetzen hervorrufen.

Wobei die größten Unterschiede noch immer entlang der religiösen Grenzlinien verlaufen. Ein Moslem hat nun mal eine andere Weltsicht als jeder Christ und er wird sie mit der Überzeugung durchs Leben gehen, als Mitglied der einzig wahren Religion das absolut Richtige zu tun. Und zu dieser Überzeugung gehört nun mal, dass sich eine Frau in der Öffentlichkeit zu bedecken hat. Das mag in einem Land bedeuten, dass man nichts, aber auch gar nichts von ihrem Körper sehen darf, während man es in einem anderen Land damit belässt, dass sie lange Kleider trägt und ihr Haar unter einem Kopftuch verbirgt.

Einig ist man sich nur darin, dass sich die Mädchen von den Jungs fernzuhalten haben, sobald sie die Pubertät erreicht haben. Denn ein intaktes Jungfernhäutchen ist das wichtigste Merkmal für jedes Mädchen und das darf nur der Mann zerfetzen, mit dem sie ihre Familie verheiratet hat.

In Ländern wie Saudi Arabien nimmt man das mit Verschleierung und Geschlechtertrennung besonders genau. Eine unverschleierte Frau kann dort auf offener Straße Prügel beziehen. Und wenn junge Leute etwas Vergnügen haben wollen, hat dies selbstverständlich nach Geschlechtern getrennt zu geschehen. In der Praxis wird zwar dieses Gesetz regelmäßig umgangen und vor allem junge Studenten treffen sich des öfteren auf privaten Partys, von denen niemand etwas wissen muss. Doch wie gesagt, es ist verboten, und wenn es herauskommt, geht die Polizei mit den Beteiligten nicht zimperlich um.

Das musste auch eine gewisse Kholoud Bariedah erfahren, die über Ihre Erlebnisse im Land der Scheichs ein Buch geschrieben hat, nachdem sie in Deutschland Asyl beantragt hat und als Flüchtling aufgenommen wurde.

Sie hatte das Pech, an einer heimlichen Party teilzunehmen, die wohl von irgend jemand verraten worden war. Es war eine absolut harmlose Party, zu der die jungen Leute lediglich zusammengekommen waren, um Musik zu hören und miteinander zu reden. Es gab keinen Alkohol, keine knutschenden Paare, kein Petting und erst recht keinen heimlichen Sex im Nebenzimmer. Doch es waren Jungs und Mädchen anwesend und allein das schon ist im Land der strikten Geschlechtertrennung ein schweres Vergehen.

Die Polizei fackelte nicht lange und brach die Tür zu der Wohnung auf, in dem das sündige Treiben vermutet wurde. Den Jungs passierte nicht viel, denn in Saudi Arabien ist es immer die Frau, die an solchen Unsittlichkeiten schuld ist. Sie muss die jungen Männer verführt haben und sie muss dafür streng bestraft werden. Schon um die anderen abzuschrecken, und ihnen zu verdeutlichen, dass eine Frau auch auf einer privaten Party nicht sicher vor dem Auge des Gesetzes ist.

Kholoud Bariedah war gerade zwanzig Jahre alt geworden und für arabische Verhältnisse damit eine erwachsene Frau. Ein ganz junges Ding hätte man vermutlich zu seinem Vater gebracht und ihm aufgetragen, seiner missratenen Tochter ordentlich den Hintern zu versohlen. Doch Kholoud Bariedah landete vor dem Richter. Und der machte im wahrsten Sinne des Wortes kurzen Prozess und verurteilte das Mädchen.

Normalerweise bekommt man dafür 100 Stockschläge und ein Jahr Gefängnis. Doch Kholoud Bariedah hatte sich nicht einfach festnehmen lassen, sondern hatte Widerstand geleistet. Und sie hatte sich einen Anwalt genommen, was ihr von ihrem Richter besonders übel genommen wurde. Daher setzte es die Höchststrafe: 4 Jahre und 1000 Stockhiebe. Denn in Saudi Arabien gehören Schläge zu einer richtigen Bestrafung einfach dazu. Ganz besonders, wenn es sich um eine Frau handelt. Noch dazu um eine so hübsche Frau wie Kholoud Bariedah. Gerade ihr musste in aller Deutlichkeit gezeigt werden, dass die Gebote Allahs ernst zu nehmen sind.

ie junge Frau landete in einer Einzelzelle und verbrachte den Tag mit Koranunterricht und niederen Arbeiten in der Gefängnisküche. Jeden Tag stand sie in aller Frühe auf, bekam zu essen, erfüllte den für sie vorgesehenen Tagesablauf und sank spät abends erschöpft wieder ins Bett. Jeden Tag, außer Freitag. Am Freitag nämlich war ihre Bestrafung angesagt. 1000 Stockhiebe erhält man natürlich nicht auf einmal. Das würde kein Mensch aushalten. Aber man teilt sie in kleine Dosen auf und und gibt Missetäterin über einen Zeitraum von vielen Monaten Gelegenheit, ihre Tat zu bereuen.

Also öffneten am Freitag Morgen zwei Gefängniswärter die karge Zelle der Insassin und führten sie hinaus in den Hof. Dort wurde sie über einen Bock geschnallt und bezog genau fünfzig Stockhiebe. Man verwendete dafür einen dünnen, flexiblen Bambusstock, der ordentlich durchzog und ein Stakkato an grellen Schmerzen erzeugte und die junge Frau mit einem Muster an dünnen Striemen am Körper zurückließ. Den Rest des Tages hatte sie frei und durfte ihre Wunden lecken.

Für jeden westlichen Leser eine barbarische Greueltat. Für eine junge Frau in Saudi Arabien eine ganz normale Bestrafung.