Häusliche Gewalt, die keine ist

Jeder Staatsanwalt kennt das Problem: Eine Frau ist verprügelt worden. Die Nachbarn haben ihre Schreie gehört und die Polizei gerufen. Die hat den Fall aufgenommen und ist wieder davongefahren. Man spricht von häuslicher Auseinandersetzung und von einer Beziehungstat. Aber nur ganz selten hat die Sache gerichtliche Folgen.

 

Juristisch ist die Sache eigentlich klar: Sie trägt Hämatome am ganzen Körper, also ist es Körperverletzung und der Mann muss sich dafür verantworten. Im Grund genommen genügt schon eine kräftige Ohrfeige, um diesen Tatbestand zu erfüllen. Wählt die Frau danach „110“, würden wenig später zwei Polizisten vor der Tür stehen. Doch sie würden sich vermutlich nicht lange aufhalten. Denn Polizisten haben schon Schlimmeres gesehen. Und sie wissen genau, dass kein Staatsanwalt einen Prozess anzetteln würde, nur weil einem Mann die Hand ausgerutscht ist.

Außerdem sind Staatsanwälte äußerst zurückhaltend, wenn es um die persönlichen Angelegenheiten von zwei Menschen geht. Sie sprechen dann von einer Beziehungstat und es muss schon richtig heftig hergegangen sein, bevor daraus ein ausgewachsenes Delikt wird, das vor dem Richter endet. Dasselbe trifft wohl auch auf die Vergewaltigung in der Ehe zu. Kennst du einen einzigen Fall, der es tatsächlich bis vor den Richter geschafft hat? Ich nicht.

Denn ganz gleich, ob Körperverletzung oder nicht, was juristisch eindeutig ist, kann in der Praxis völlig unbedeutend sein. Natürlich darf ein Mann seine Frau nicht einfach schlagen, wenn er der Meinung ist, dass sie es verdient hat. So sehen es zumindest die Nachbarn und die Empfängerin der Schläge hätte die gesamte Emanzenwelt hinter sich. Von der Aufregung in den Medien ganz zu schweigen. Doch ist das von Bedeutung?

Eine Beziehung ist zwar kein rechtsfreier Raum. Doch irgendwie herrscht zwischen zwei Menschen eine Art Vertragsfreiheit. Fühlt sie sich frei, unabhängig und gleichberechtigt, dann würde sie vermutlich nur einmal Schläge beziehen. Danach würde sie nicht nur den Koffer packen. Sie würde auch die Polizei rufen und einen Termin beim Scheidungsanwalt ausmachen. Schlägen hat sie nämlich nie zugestimmt, ganz gleich aus welchem Grund. Auch dann nicht, wenn sie sie wirklich verdient hat.

Ist er jedoch der Dom und sie fühlt sich als die Sub, dann liegt die Sache völlig anders. Dann wird er sich von ihr nicht abhalten lassen, wenn sie eine Tracht Prügel verdient hat. Er wird die Gerte nehmen und ihr Strieme für Strieme seinen Willen auf den Leib zeichnen. Hat er das einmal getan und sie hat sich nicht dagegen gewehrt, dann gilt es als Zustimmung und er kann es immer wieder tun. Sie kennt schließlich die Regeln, die zwischen ihnen herrschen, und wenn sie sich nicht daran hält, dann hat sie es nicht anders verdient. Vor Gericht nennt man das dann einvernehmlich und er muss sie schon halb totschlagen, wenn sie aus dieser Nummer wieder rauskommen will.

Wobei es keinen Unterschied macht, wenn sie bei ihrer Bestrafung Zeter und Mordio schreit und damit das Entsetzen der Nachbarn hervorruft. „Das hat sie früher auch immer getan,“ würde er vor der Polizei argumentieren. „Hinterher war sie dann immer ganz lieb und wir haben und prächtig versöhnt.“ Mehr müsste ein informierter Dom überhaupt nicht sagen. Sex nach einer Tracht Prügel heißt nach geltender Rechtsprechung nämlich nichts anderes, als dass die Sache einvernehmlich war. Auch wenn er sie sich richtig vorgenommen hat und auch nach Wochen noch eindeutige Spuren davon zeugen. Auch wenn sie dabei noch so laut geschrien und um Gnade gewinselt hat. Eine Frau, die das einmal über sich ergehen ließ, muss den Mann schon verlassen, um damit zu dokumentieren, dass jede Wiederholung nicht mehr einvernehmlich ist.

Mit anderen Worten: Wo Stock, Gerte und Peitsche zum Inventar gehören und regelmäßig zur Anwendung kommen, wird sich die Dame des Hauses nicht damit herausreden können, sie hätte das alles nicht gewollt. Auch wenn er sie gefesselt hat, damit sie ihm keine Scherereien macht und schön brav ihre Strafe entgegennimmt, darf er ganz beruhigt seine Rechte als Herr des Hauses wahrnehmen, wenn das schon immer zu seinen Gepflogenheiten gehörte und die Frau in seinem Besitz genau weiß, was ihr blüht, wenn sie sich ihm widersetzt hat.

Bei einer Unbekannten im SM-Club wird es sich ein weitsichtiger Dom schriftlich geben lassen, dass sie bereit ist, von ihm bestraft zu werden. Bei einer Lebensgefährtin oder gar Ehefrau, die er von Anfang an daran gewöhnt hat, ist so ein Stück Papier unbedeutend. Um in der Sprache der Juristen zu sprechen, handelt es sich hier um konkludentes Verhalten. Das heißt sie hat allein durch ihr zustimmendes Verhalten gezeigt, dass sie ihn als ihren Herrn anerkennt und ihm das Recht zugesteht, sie zurechtzuweisen, wenn immer sie aus seiner Sicht Anlass dazu gegeben hat. Diese wortlose Zustimmung wird sie so schnell nicht los und er wird seine Erziehungsmaßnahmen so lange fortsetzen können, bis sie ihm wiederum konkludent zu verstehen gibt, dass sie es nicht mehr will. Etwa, indem sie auszieht und nichts mehr mit ihm zu tun haben will.