Der Rohstock hat noch nicht ausgedient
Kürzlich gab es eine interessante Dokumentation im öffentlich rechtlichen Fernsehen. Es ging um kulturelle Unterschiede in Europa und was die Menschen in den verschiedenen Ländern voneinander unterscheidet. Als der Reporter eine Familie in Tschechien besuchte und sich über die Vorstellungen von Kindererziehung erkundigte, horchte ich auf.
Es war ein jüngeres Paar, das die Kamera in ihr Haus gelassen hatte. Die Frau höchstens Anfang dreißig, der Mann nicht viel älter. Zwei Kinder hatten die beiden, einen zehnjährigen Jungen und ein vielleicht acht Jahre altes Mädchen. Beide wurden im gemeinsamen Kinderzimmer gezeigt. Sie war mit Malen beschäftigt. Er machte Daumenübungen an einem Spielecomputer.
Nein, körperliche Züchtigung sei in der Tschechei nicht verboten, lautete die Auskunft. Das sei ein sehr traditionelles Land und die Kindererziehung lief noch heute genauso ab wie schon vor Generationen. Natürlich sei sie als Kind geschlagen worden, meinte die Frau. Meist mit dem Ledergürtel. Mutter hätte sie über dem Küchentisch festgehalten und Vater hätte kräftig zugeschlagen. Natürlich mit hochgeschlagenem Kleid und ohne Höschen, denn sonst wäre es ja keine Strafe.
Und ja, in der Schule wäre der Rohrstock nahezu täglich zum Einsatz gekommen. Die Lehrer hätten da keinen Unterschied gemacht, ob ein Mädchen oder ein Junge bestraft wurde. Sechs Hiebe wären üblich gewesen und zu Hause setzte es nicht selten gleich noch eine Tracht Prügel.
Kinder ohne Schläge zu erziehen erschien den Beiden geradezu abwegig. Wer etwas angestellt hat, muss bestraft werden, das ist doch ganz selbstverständlich. Nur wer abends mit Striemen auf dem Hintern ins Bett geht, wird sich das nächste Mal zweimal überlegen, ob er sich daneben benimmt. Sie würden ihre Kinder lieben, aber ohne Strenge ginge es einfach nicht.
Die Kids saßen artig neben ihre Eltern, als diese Worte fielen. Die Kamera schwenkte zu einem Sideboard aus hellem Holz, auf dem geradezu demonstrativ ein dünner Rohrstock lag. Jede Familie hätte so ein Stöckchen zu Hause, lautete die Erklärung. Die Tschechei wäre eben ein Rohrstockland und in jeder Stadt gäbe es einen Gemischtwarenladen, in dem man ein passendes Exemplar kaufen könne.
Die Mutter nahm den Stock zur Hand und ließ ihn prüfend durch die Hand gleiten. Er wäre nicht dicker als ein Bleistift, aber dafür sehr schmiegsam, erklärte sie dabei. Solange die Beiden noch zur Schule gingen, wäre so ein Stock genau richtig.
Ob es ein bestimmtes Alter gab, in dem Schluss mit em Rohrstock sei, lautete die Frage der Reporterin. Nein, eigentlich nicht. Wer noch bei den Eltern lebt, muss sich an die Regeln der Familie halten, erklärte der Vater. Besonders bei Teenagern sei das ganz wichtig. Erst kürzlich hätte die Tochter des Nachbarn mal wieder eine ordentliche Tracht Prügel bekommen. Sie war siebzehn und wäre spät abends knutschend mit einem Jungen erwischt worden. So ein dünner Rohrstock wäre in dem Alter natürlich nicht mehr ausreichend. Aber er kenne die Nachbarn sehr gut und wusste, dass Vaters breiter Ledergürtel zur Anwendung kam, wenn mal wieder das Kreischen der jungen Dame über die Straße schallte.
Nein, die Nachbarn würden sich daran nicht stören, bestätigte der Vater auf Nachfrage der Reporterin. Besonders junge Mädchen müsse man streng erziehen, um sie davon abzuhalten, Dummheiten zu machen, und ein paar dicke Striemen auf Po und Schenkel hätten noch keiner geschadet.
Von ihrem Vater hätte sie noch eine Woche vor ihrer Hochzeit eine Abreibung mit dem Lederriemen bekommen, meinte die Mutter. Wenn es hieß, um zehn bist du wieder zu Hause, dann musste man auch punkt zehn wieder zu Hause auftauchen, sonst setzte es Hiebe. Nein, Vater hätte sein Verhalten nie geändert. Wenn sie Strafe verdient hatte, dann wusste sie genau, was das bedeutete. Zwar erwartete man von einer fast erwachsenen Tochter, dass sie nicht mehr von ihrer Mutter festgehalten werden musste. Aber wer sich wie ein ungehorsames Kind verhalten hatte, der wurde auch wie ein kleines Mädchen bestraft und das hieß, an der Tischkante festklammern und den Biss des Leders auf dem entblößten Hintern spüren.
Man ist zwar sonst recht prüde in der Tschechei, aber für jede Frau gab es mindestens zwei Männer, vor denen sie sich nackt zeigen musste: Erst der Vater und später der Ehemann.