Als Teenies noch Angst vor dem Rohrstock hatten
Jede Generation hat ihre eigenen Probleme. In den 60er Jahren demonstrierten junge Leute gegen den Jahrhunderte alten Brauch, in der Schule mit dem Rohrstock gezüchtigt zu werden (wie die Gruppe Engländerinnen im Bild). Heute ist das Problem eher die ethnische Vielfalt, die nicht selten mit den Fäusten oder gar dem Messer ausgefochten wird. Und Schüler, die es nie gekannt haben, von einem Lehrer unterrichtet zu werden, der keinen Rohrstock in der Hand hält.
In England hält man ja viel von Traditionen. Noch heute ist hier jede Schülerin verpflichtet, in Schuluniform zu Unterricht zu erscheinen. So hat zum Beispiel jede Schule ihre eigene Uniform und begegnet man einer Gruppe kichernder Schülerinnen im Straßenbild, weiß man sofort, in welchem Gemäuer sie ihre Bildung vermittelt bekommen. Die Polizei im Vereinigten Königreich sieht den Vorteil vor allem darin, dass man die Schule schwänzende Kinder am Vormittag schon allein an ihrer Uniform ausmachen konnte.
Wobei die Schuluniform vor allem eines vermittelt: ich bin Kind, ich bin Schülerin, ich bin noch lange nicht erwachsen. Die ersten spitzen Brüste verschwinden unter weit geschnittenen Blusen und die Rocklänge ist genauso vorgeschrieben wie das, was man drunter zu tragen hat. Das war auf der Insel schon immer so und das finden die Briten einfach gut und richtig.
Mit der Abschaffung der Prügelstrafe an den Schulen taten sich die Briten besonders schwer. Es war das letzte Land in Europa, das diese Regel in sein Gesetz aufnahm. Und es wurde lange darüber debattiert, ob man das Wagnis wirklich eingehen sollte. Denn ein Lehrer ohne Stock war doch ein zahnloser Tiger. Wie sollte der sich vor einer Meute wilder Teenager durchsetzen? Und wild waren sie in den 60er Jahren. Das war schließlich die Zeit der Beatles, der Stones und der Flower Power-Bewegung. Besonders in konservativen Kreisen malte man damals eine düstere Zukunft an die Wand. Die Schüler würden jede Disziplin verlieren, war man überzeugt. Es war von Verwahrlosung die Rede und von einer Generation, die keinen Respekt mehr kannte.
Na ja, so ganz daneben lagen die Warner von damals allerdings nicht. Heute gibt es vor allem in den Ballungsgebieten Problemschulen, in die besorgte Eltern ihre Kinder lieber nicht schicken. Schulen, an denen die schlechten Schüler den Unterricht stören und die guten deswegen nicht lernen können. Schulen, in denen immer mehr Lehrer vorzeitig dienstuntauglich geschrieben werden, weil sie mit dem Stress einfach nicht mehr klar kommen. Schulen also, in denen sich die Teenies der Lower Class austoben können, während die Lehrer verzweifelt versuchen, sich durchzusetzen.
Dazu kommt ein immer größerer Anteil ausländischer Schüler, die irgendwo im Nahen Osten aufgewachsen sind und schnell den Respekt vor einem Lehrer verlieren, der ihnen noch nicht einmal eine Ohrfeige verpassen darf. Oder die eine Lehrerin schon deshalb nicht akzeptieren, weil sie eine Frau ist und als solche einem angehenden Mann nichts zu sagen hat.
Dabei sollte es doch eigentlich genau anders herum sein. Nicht der Lehrer sollte Stress wegen seiner Schüler haben. Vielmehr sollten die Schüler es sein, denen der Angstschweiß auf der Stirn steht, wenn sie sich daneben benommen haben. Denn so eine „Cane“, der typische englische Rohrstock also, zieht ordentlich durch und seine Spuren kann der Betreffende noch Tage später im Spiegel bewundern. Und die Betreffende natürlich auch, denn in dieser Hinsicht gab es in England schon immer Gleichberechtigung.
Englische Erzieher sprachen gerne vom „seat of learning“ und meinten dabei den Körperteil, der sich für eine ordentliche Züchtigung mit dem Rohrstock ganz besonders anbot. Er war nicht nur zum Sitzen recht gut gepolstert, sondern auch in der Lage, die Wucht eines streng geführten Stocks aufzunehmen und elastisch abzufedern, ohne dass dabei die Gefahr dauerhafter Verletzungen bestand.
Deshalb wurden die Jungs genauso über die Bank gelegt, wie die Mädchen. Nur das man Letzteren den zumeist recht weit geschnittenen Rock der vorgeschriebenen Schuluniform hochhob und die Hiebe auf die nur noch leicht verhüllte Bestrafungsfläche applizierte. Früher, so erzählt man sich, wurden Jungs und Mädchen noch getrennt unterrichtet. Damals war es auch gang und gäbe, einer Schülerin den nackten Po zu versohlen. Das erhöht nicht nur die Wirkung der Bestrafung. Es macht die Dame auch demütig. Denn besonders Teenager haben große Probleme damit, genau den Körperteil freizulegen, an dem ihr Wandel vom Kind zur Frau besonders deutlich wird. Erzieher hingegen – wobei es in diesem Fall eher Erzieherinnen waren – fanden es durchaus vorteilhaft, das der Hintern der jungen Damen mit zunehmendem Alter an Breite und Fülle zunahm. Denn wenn die Natur einer Schülerin schon frühzeitig besonders ausgeprägte weibliche Attribute verliehen hatte, war eben auch die Angriffsfläche für den Rohrstock größer – und damit die Angst der Betreffenden, seinen strafenden Wirkung ausgesetzt zu werden.
Die Amerikaner hatten es übrigens noch nie so sehr mit Traditionen. Dort ist man daher mittlerweile in immer mehr Bundesstaaten so weit, die Prügelstrafe wieder zu legalisieren. Nicht mit dem Rohrstock aus dem alten Welt, sondern mit dem drüben allseits geliebten Paddel.