Wenn Schule schwänzen keine Folgen hat
Sucht man im Internet nach „Schule schwänzen“ oder dem englischen Äquivalent „Truancy“, erkennt man schnell, dass es in Deutschland genauso Schüler gibt, die unentschuldigt dem Unterricht fernbleiben, wie in Frankreich, England, Japan oder den USA. Und es wird deutlich, dass die Schulbehörden eigentlich ziemlich hilflos agieren, um dem Problem Herr zu werden. Dabei zeigt die Statistik seit Jahren nach oben und eine Lösung ist nicht in Sicht. Was auch recht wenig verwundert in einer Welt, in der die Schule ihr Ansehen und die Lehrer längst ihre Autorität verloren haben.
In Großbritannien denkt man mittlerweile sogar daran, die Eltern zu inhaftieren, wenn ihre Kinder häufig nicht in der Schule erscheinen. In einer öffentlichen Schule im amerikanischen Bundesstaat Massachusetts werden Eltern dazu verdonnert, ihre schwänzenden Kinder persönlich zur Schule zu begleiten. Sie werden dann für eine gewisse Zeit in einem „Detention Center“ unterrichtet. Dabei handelt es sich um eine Art schulinterne Haftanstalt die wohl die Teenies irgendwie abschrecken soll. In New York ist die Polizei schon seit Jahren angewiesen, Jugendliche, die sich während der Schulzeit auf der Straße herumtreiben, umgehend aufzugreifen und in die Schule zu kutschieren, in der sie sich eigentlich aufhalten sollten.
Man muss wohl nicht lange darüber nachdenken, um zu erkennen, dass all diese Maßnahmen wohl kaum geeignet sind, das Problem in den Griff zu bekommen. In vielen Ländern Afrikas, Südamerikas und Asiens lachen daher die Verantwortlichen darüber und schütteln den Kopf über so viel Naivität.
Dort geht man nämlich den direkten Weg und setzt auch heute noch auf dieselben altbewährten Maßnahmen, die noch nie ihr Ziel verfehlt haben. Drakonische Maßnahmen, die von Europa bis Nordamerika längst verboten sind, aber unter Afrikanern, Asiaten und Südamerikanern noch immer den Schulalltag bestimmen. Denn Schule schwänzen ist ein ernsthaftes Vergehen und das darf man einem Schüler nicht durchgehen lassen. Und einer Schülerin erst recht nicht.
Dabei ist es völlig egal, was sie veranlasst hat, sich auf der Straße herumzutreiben, anstatt zur Schule zu gehen. Mobbende Mitschüler zum Beispiel. Ärger mit dem Lehrer. Oder schlicht und einfach Faulheit. Wobei wohl man eher auf Letzteres schließen kann, wenn man eine kichernde Gruppe Teenager vormittags im Shopping Center entdeckt, die sich ausgiebig Zeit dafür nehmen, die neuesten Klamotten anzuprobieren. Die haben nämlich nur selten schulfrei, sondern stehen an diesem Vormittag schlicht und einfach als „unentschuldigt abwesend“ im Klassenbuch.
Sie machen sich offensichtlich keine Sorgen darüber, dass die Schule früher oder später ihre Eltern darüber informieren wird, dass sie in letzter Zeit häufig nicht zum Unterricht erschienen sind. Warum auch? Auch Eltern sind in der westlichen Welt die Hände gebunden. Mehr als eine lautstarke Auseinandersetzung ist daher nicht zu befürchten.
Dass nach einem „blauen Brief“ von der Schule schon der Rohrstock bereit liegt, wenn die Tochter nach Hause kommt, ist heute eher unwahrscheinlich. Das gibt es bestenfalls noch in extrem religiösen Familien. Und die pflegen die alten Erziehungsmethoden am Rande der Legalität und müssen sogar mit einer Anzeige rechnen, wenn die Schule davon erfährt.
Dieselbe Schule, die nicht in der Lage ist, schwänzende Schüler von ihrem Tun abzuhalten.
Es war irgendwann in den sechziger Jahren, als Lehrern der Rohrstock aus der Hand genommen wurde und selbst Eltern kein Recht mehr hatten, ihren Kindern Grenzen zu setzen und die notfalls auch durchzusetzen. Durchaus nicht überall auf der Welt, aber nahezu in ganz Europa, in Nordamerika und in zahlreichen anderen Ländern, in denen irgendwann in den 60er Jahren die „neue Pädagogik“ Einzug gehalten hat.
Etwa um diese Zeit entschloss sich auch ein Lehrer aus Manchester, aus dem Schuldienst ausgetreten. Er hatte das britische Schulsystem gründlich satt. Er wollte sich nicht mehr mit Kindern herumplagen, die nie eine richtige Erziehung genossen hatten. Und er wollte nicht mehr von Eltern angegangen werden, die sich über schlechte Noten beschwerten, anstatt ihre Göre zu Hause einzuschließen und zum Lernen anzuhalten. Er entschloss sich daher zu einem radikalen Berufswechsel und wollte dem Schuldienst für immer den Rücken kehren, als er auf ein Angebot von der Insel Dominica stieß. Die karibische Insel zählt zu den kleinen Antillen. Einst war sie eine britische Kolonie und den Gesetzen der Krone unterworfen. Heute zählt sie zum britischen Commonwealth. Man pflegt dort zwar nach wie vor enge Beziehungen zum britischen Mutterland. Und man hält sich nach wie vor an dieselben Gesetze, die einst von den Kolonialherren auf die Insel kamen.
Wie auf der britischen Insel tragen Schülerinnen auch auf Dominica eine einheitliche Schuluniform, die meist aus einem auffälligen Rock und einer weißen Bluse besteht. Wer ein junges Mädchen auf der Straße sieht, weiß also ganz genau, wo die Kleine zur Schule geht. Und wenn sie sich zu einer Zeit im Einkaufszentrum aufhält, in der eigentlich Unterricht ist, fällt sie nicht nur auf wie ein bunter Hund. Sie muss auch damit rechnen, deswegen angesprochen zu werden. Und sie darf keinesfalls einem Polizisten in die Arme laufen. Der wird nämlich nicht lange fackeln und die Schwänzerin umgehend beim Direktor ihrer Schule abliefern. Das bringt ihr dann nicht nur einen Eintrag ins Klassenbuch und einen Brief an die Eltern ein. Sie wird auch eine äußerst schmerzhafte Erfahrungen machen und diesen Schultag vermutlich noch lange im Gedächtnis behalten.
„Das Schulsystem hier ist noch auf genau demselben Stand, wie in England vor fünfzig Jahren,“ berichtet der Lehrer. „Und das bedeutet, dass es praktisch keinen Hintern gibt, der nicht irgendwann einmal mit dem Rohrstock Bekanntschaft gemacht hat. Stört ein Schüler den Unterricht, gilt eine ganz klare Regel. Beim ersten Mal gibt es eine Ermahnung. Beim zweiten Mal heißt es „komm nach vorn“ und jeder weiß, dass jetzt gleich laugte Schreie über den Schulhof hallen werden.“
Zwar hat man sich auch auf der karibischen Insel Dominica nicht dem Trend der Zeit verschlossen und verzichtet mittlerweile auf einen nach Geschlechtern getrennten Unterricht. Die Strafen für Fehlverhalten jeder Art stammen jedoch noch aus der Kolonialzeit und haben sich seitdem nicht wesentlich verändert.
„Wenn der Lehrer sagt, komm nach vorne, erstarrt die ganze Klasse und es wird augenblicklich still im Klassenzimmer. Die Jungs bemühen sich, zumindest einen gewissen trotzigen Stolz zu bewahren, während sie der Aufforderung nachkommen. Die Mädchen tun es mit weichen Knien sind meist schon tränenüberströmt, wenn sie vorne ankommen. Das darauf folgende Ritual ist in beiden Fällen gleich: den Oberkörper auf das Pult des Lehrers senken und den Po in Position bringen. Wobei die Mädchen dabei entschieden im Nachteil sind. Von ihnen wird nämlich erwartet, ihren Uniformrock hochzuschlagen, der sonst nur im Weg wäre. Sie müssen also ihr zumeist blütenweißes Höschen offenbaren, bevor es heißt „six of the best“ und sich unter dem dünnen Stoff ein halbes Dutzend dicker Striemen bildet, die im Laufe der folgenden Tage alle Farben des Regenbogens annehmen werden, bevor sie allmählich wieder verschwinden.
Wobei „six of the best“ eher die übliche Strafe ist, die schon bei geringeren Vergehen fällig ist und direkt an Ort und Stelle vollzogen wird. Eine Schulschwänzerin hingegen, hat weit Schlimmeres zu erwarten. Ihr Weg führt nämlich nicht zum Pult des Lehrers, sondern ins Zimmer des Direktors. Und das heißt, dass sie nicht nur mindestens die doppelte Anzahl an Hieben beziehen wird. Die Ärmste muss dabei meist auch noch ihr Höschen abstreifen und bekommt ihre Strafe auf das entblößte Gesäß appliziert. Wer nicht hören will, muss eben fühlen und wer sich richtig daneben benommen hat, darf nicht mit Milde rechnen.
„Doch damit ist es nicht getan. Denn einen Brief an die Eltern gibt es trotzdem und in diesem Teil der Welt hält es jeder Vater für seine Pflicht, sich seine Tochter höchstpersönlich vorzuknöpfen, wenn sie sich daneben benommen hat.“
Es gibt eben noch immer Regionen auf dieser Welt, in denen der Lehrer nach wie vor als Respektsperson gilt und die Schüler allen Grund haben, vor ihm auf der Hut zu sein. Die Schule zu schwänzen ist dort so gut wie unbekannt. Nicht weil die Teenies dort anders sind und weniger zu Dummheiten neigen, sondern weil sie Grund haben, sich vor den Folgen zu fürchten.
„Dominica ist ein kleines Land. Wenn man hier eine Zeit lang als Lehrer gewirkt hat, kennt man nicht nur die junge Generation. Man trifft auch auf die eine oder andere attraktive Frau, die mittlerweile erwachsen und vermutlich verheiratet ist. Meist kann ich mich noch genau daran erinnern, wie auch sie einmal über dem Pult gelegen hat, um mir gehorsam ihren Hintern zu präsentieren. Natürlich kann auch sie sich daran erinnern und wir tauschen wissende Blicke aus.“
Wobei alles darauf hindeutet, dass die Vereinigten Staaten vermutlich die erste Region dieser Erde sein werden, die wieder zu den alten Werten zurückkehrt. Schon heute gibt es dort wieder Schulen, an denen Regelübertretungen mit dem landesüblichen Paddel geahndet werden. Das Prozedere dabei ist natürlich streng reglementiert, denn schließlich befindet man sich hier unter Puritanern. Aber die Erkenntnis scheint sich durchzusetzen, dass Regeln nur dann eingehalten werden, wenn es auch die richtigen Mittel gibt, um sie durchzusetzen.