Sie wird die Firma übernehmen

Dass sie eines Tages die Firma übernehmen würde, war ausgemachte Sache. Aber ohne Fleiß kein Preis. Eine Frau, die im Geschäftsleben von heute erfolgreich sein will, muss nicht nur die richtige Ausbildung haben und diese mit Auszeichnung bestehen. Sie muss auch besser sein als alle anderen.  Und sie muss die Disziplin haben, ihren Weg zu gehen und ihre Aufgabe zu erfüllen.

Sie hatte deutlich nachgelassen und eine schlechte Note nach der anderen nach Hause gebracht. Gerade jetzt, kurz vor dem Abitur, kam das einer Katastrophe gleich. Schließlich sollte sie die Firma übernehmen und dafür brauchte sie ganz einfach eine akademische Ausbildung. Es war zwar nur eine kleine Versicherungsagentur, aber die Geschäfte liefen ausgezeichnet und er kam allmählich in ein Alter, in dem es Zeit wird, über die eigene Nachfolge nachzudenken. Außerdem ging es ihm gesundheitlich nicht besonders gut und er spürte, dass er allmählich etwas langsamer treten sollte.

Die Idee kam ihm im Marrakesch, wohin er sich mit seiner Tochter zu einem kleinen Kurzurlaub zurückgezogen hatte. Als er durch den dortigen Basar schlenderte, entdeckte er ihn. Unter den zahlreichen Händlern, die alles mögliche anboten, was vielleicht der eine oder andere Tourist als Souvenir mit nach Hause nehmen würde, war ein winziges Geschäft, das sich anscheinend auf ein einziges Thema spezialisiert hatte.

Hinter einem grob gezimmerten Tresen saß ein alter Mann mit verwittertem Gesicht und dem undurchschaubaren Blick, wie ihn nur Araber drauf haben. Der Alte schien die Gedanken des ganz offensichtlich europäischen Kunden zu erraten, der einen Augenblick zu lange vor seinen Auslagen verharrte. Sein Blick wanderte zuerst zu seiner Tochter, die ihr Gesicht hinter einer dunklen Sonnenbrille versteckte, und blieb dann auf ihrem Vater ruhen. Die beiden Männer verstanden sich spontan. Und sie wussten, dass sie sich wiedersehen würden.

Am nächsten Tag kam er wieder. Dieses Mal ohne Tochter. Er hatte eine Idee und er wusste, dass dieser winzige Laden ein Wink des Schicksals war, wie er ihn nur in einem arabischen Basar erhalten konnte. Der Mann handelte mit Utensilien, wie man sie im fernen Deutschland vermutlich nur noch in einer Fetischboutique finden würde. Es gab eine Fülle von Rohrstöcken in allen erdenklichen Dicken, Längen und Ausführungen. Dazu kunstvoll geflochtene Lederpeitschen von der mehrschwänzigen kurzen Riemenpeitsche mit sorgfältig poliertem Holzgriff bis zur mehrere Meter langen Exemplaren, bei denen man nur hoffen konnte, dass sie nur für dickfellige Tiere gedacht war. Das Ganze wurde von einer umfangreichen Sammlung an Lederinstrumenten ergänzt, die von einer breiten Klatsche mit kurzem Griff bis zu zahlreichen Lederriemen mit geteilten Enden reichte, bei denen man unter verschiedenen Breiten, Farben und Dicken auswählen konnte.

Der Ladenbesitzer beobachtete ihn aufmerksam, während er das eine oder andere Exemplar in die Hand nahm und langsam durch die Finger gleiten ließ. Seine Aufmerksam blieb an einer kurzen Lederpeitsche haften, die vielleicht einen Meter lang war. Sie war aus mehreren dünnen Lederstreifen geflochten, die sich äußerst geschmeidig anfühlten. Das eine Ende lag gut in der Hand und fühlte sich angenehm an. Zum anderen Ende hin wurde sie immer schlanker, bis sie zu einer dünnen Schnur ausgelaufen war.

„Your daughter?“

Der alte Mann schien etwas English zu verstehen, was wohl auf häufige Kontakte mit Touristen zurückzuführen war. Er spielte ganz offensichtlich auf die junge Begleitung an, mit der er ihn am Vortag gesehen hatte. Seine Augen waren wach und drückten das Interesse eines Kaufmanns aus, der ein gutes Geschäft witterte.

„Yes, she is my daughter,“ bestätigte er und bemühte sich, dabei möglichst gelassen zu klingen.

„Good whip, good daughter,“ lautete die Reaktion und ein verschmitztes Lächeln unterstrich die Weisheit eines Mannes, der vermutlich genau wusste, wovon er redete.

Der Alte hat gut reden, dachte er sich, während er sich immer mehr mit dem Instrument anfreundete, das seinen Händen schmeichelte und dennoch keinen Zweifel daran ließ, dass es durchaus nicht dazu diente, angenehme Gefühle zu erzeugen. Vermutlich hat er ein ganzes Dutzend Töchter zu Hause, die mittlerweile alle erwachsen sind und genau wissen, wie sich so eine Peitsche anfühlt. Araber legen großen Wert auf eine gehorsame Frau und sie verstehen es, ihre Töchter so zu erziehen, dass sie sich zu einer gefügigen Frauen entwickeln, an denen jeder Ehemann seine Freude haben wird.

Er hatte Zeit und wollte sich nicht überhastet entscheiden. Seine Fantasie lief auf Hochtouren, denn er wusste genau, was er mit so einer Peitsche gerne anfangen würde. Aber dann setzte doch wieder seine Vernunft ein und er realisierte, dass es doch recht unrealistisch war, seine Tochter mit der Peitsche in der Hand dazu zu bringen, künftig bessere Noten abzuliefern und das Abitur zu bestehen.

Er entschied sich daher für einen dunkelbraunen und durchaus besorgniserregend dicken Lederriemen, der gut drei Finger breit war und besonders geschmeidig durch seine Hand lief. Und weil er gerade in der richtigen Stimmung war, ergänzte er seine Wahl noch durch ein schmaleres, dafür aber längeres Exemplar, das vermutlich ein weit gezielteres Vorgehen erlaubter, als sein alter Ledergürtel, mit dem sie bisher gelegentlich Bekanntschaft gemacht hatte.

Ja, seine Tochter war durchaus eine strenge Erziehung gewohnt und er hatte nicht die Absicht, damit aufzuhören, nur weil sie jetzt bald volljährig war und damit zumindest vor dem Gesetz als erwachsen galt. Ein Vater war ein Vater und eine Tochter blieb ein Leben lang eine Tochter. Er würde sie also auch weiterhin nackt machen, wenn sie es verdient hatte. Auch dann noch, wenn sie die neue Chefin seiner Firma war. Und unabhängig davon, ob sie verheiratet und damit eigentlich „zu alt“ war, um noch übers Knie gelegt zu werden.

„Good choice,“ meinte der Alte, als man sich über den Preis geeinigt hatte. Doch er war ein kluger Mann und wartete zunächst noch mit dem Einpacken der Ware. Es war ihm nicht entgangen, dass der weise Europäer seinen Blick noch immer nicht von der schwarzen Peitsche lösen konnte, die gleich zu Anfang seine Aufmerksamkeit erregt hatte.

„Real good choice,“ ermunterte er ihn und er konnte schließlich nicht anders, als seiner Begierde nachzugeben und zum Besitzer einer richtigen, arabischen Peitsche zu werden.