Richtige Erziehung braucht feste Regeln
Die Welt hat sich wohl noch nie so schnell und drastisch verändert wie in den letzten zwei Generationen. Allerdings beschränken sich die meisten Entwicklungen auf die sogenannte westliche Welt. In Südamerika, Afrika und ganz Asien hingegen leben die Menschen noch immer nach denselben Regeln, die schon ihre Großväter kannten. Auch was die Erziehung der nachfolgenden Generation angeht.
Erzähle einem Vater in der brasilianischen Favela, sein Sohn würde von einer verdienten Tracht Prügel seelischen Schaden nehmen und du wirst belustigtes Kopfschütteln ernten. Versuche einen Inder davon abzuhalten, seine Tochter zu verprügeln, weil sie sich seinen Anordnungen widersetzt hat, und er wird denken, mit dir stimmt etwas nicht. Erziehung muss manchmal einfach wehtun. Das weiß man in den weitaus meisten Ländern dieser Welt und denkt gar nicht daran, daran etwas zu ändern.
In der westlichen Welt waren es vor allem die 60er Jahre, die alles verändert haben. Es war die Zeit, als die Jugend rebellierte. Es waren die Jahre, als sich die Welt schneller veränderte als je zuvor und die junge Generation der Meinung war, alles besser zu wissen als die Alten mit ihren angestaubten Ansichten. Und es war die Zeit, als wissenschaftliche Erkenntnisse das Maß der Dinge waren und die Worte von Psychologen plötzlich mehr Gewicht hatten als generationenalte Erfahrung.
Es war auch die Zeit, als erst der Rohrstock aus den Klassenzimmern verschwand und wenig später auch zu Hause kaum noch, wenn überhaupt, benutzt wurde. Weil Schläge angeblich der Psyche eines jungen Menschen schadeten und eine Tracht Prügel plötzlich als Gewalttat galt, die nicht in unsere angeblich so aufgeklärte moderne Gesellschaft passte. Prügelnde Eltern vermutet man daher seit den 60er Jahren eher in der Unterschicht und den Vätern sagte man nach, aller Wahrscheinlichkeit nach alkoholabhängig zu sein.
Der weitaus größere Teil der Kinder wächst seitdem auf, ohne jemals mehr als eine gelegentliche Ohrfeige empfangen oder einen leichten Klaps bezogen zu haben. Passiert so etwas in einem Fernsehfilm, dann endet die Szene meist damit, dass sich der Vater bei seiner halbwüchsigen Tochter für seinen unfassbaren „Übergriff“ entschuldigt oder die Mutter in Tränen ausbricht, weil sie sich derart hat gehen lassen. Zwei Generationen früher hätte Mutter den Kochlöffel geholt und richtig zugeschlagen, oder die Göre hätte sich am Boden gewälzt, während Vater ihr mit dem Lederriemen das Fell gerbte.
Aber es gibt sie noch, konservative Eltern, die sich von ihren Kindern nicht auf der Nase herumtanzen lassen, sondern auch mal streng durchgreifen, wenn der Dreijährige partout nicht parieren will oder die Dreizehnjährige über die Stränge geschlagen hat.
Meist blicken die betreffenden Eltern selbst auf eine strenge Erziehung zurück. Oder sie gehen einfach mit offenen Augen durch die Welt und sehen, wohin der allgemein verbreitete Verzicht auf jede Art von Erziehung führt. Sie wollen sich einfach nicht von einem Teenager vorschreiben lassen, welches Handy zu kaufen ist und welche Marken man heute zu tragen hat. Sie wollen bestimmen, wann die Tochter abends zu Hause zu sein hat und sie bestehen darauf, ihr eine runterzuhauen, wenn sie sich nicht zu benehmen weiß.
In solchen Familien gelten dann auch feste Regeln, an die sich die Kinder zu halten haben. „Jede Jeans, die die Kleine am Leib trägt, jedes T-Shirt und jede Unterhose wurde von meinem Geld bezahlt,“ sind die Worte eines solchen konservativen Vaters. „Also bin ich es auch, der bestimmt, was sie zu tun und zu lassen hat. Und sie weiß, dass es wehtun wird, wenn sie sich nicht daran hält.“
Ein anderer Vater hat ganz konkrete Vorstellungen über die Freiheiten, die seiner Tochter zustehen: „Wenn nichts anderes abgesprochen ist, hat sie spätestens um sechs zu Hause zu sein. Wenn etwas dazwischengekommen ist, hat sie uns von unterwegs anzurufen, damit wir Bescheid wissen und entsprechend reagieren können. Dafür hat sie ein Handy, dessen Kosten wir tragen.“
Auch in Sachen Internet gibt es in diesem Hause ganz klare Regeln: „Sie hat einen eigenen Laptop. Sie darf auch soziale Medien nutzen, nur ist es ihr noch verboten, eigene Beiträge zu erstellen. Und sie weiß, dass wir den vollen Zugriff auf Computer und Handy haben und das auch kontrollieren.“
Die Tochter ist 13 und weiß genau, was ihr blüht, wenn sie sich nicht an die Regeln hält. Genau wie ihre sechsjährige Schwester und der dreijährige Sohn des Hauses. Auch sie kennen feste Regeln und auch sie wissen, dass jede Übertretung dieser hausinternen Gesetze Folgen hat: „Für jede Übertretung einer Regel gibt es eine vorher festgelegte Anzahl an Strichen ins Strafbuch. Am Freitagabend ist Abrechnung. Dann addieren sich die großen und kleinen Vergehen und die Striche werden zusammengezählt.“
Das hört sich bürokratisch penibel an, aber der Vater ist überzeugt, mit dieser einfachen Vorgehensweise für Gerechtigkeit zu sorgen. Kein Vergehen bleibt ungesühnt und jedes Kind weiß genau, ob es Angst vor der Abrechnung am Freitag haben muss, oder ob der Abend glimpflich verlaufen wird. Wobei der aufmerksame Vater darauf achtet, dass nichts ungesühnt bleibt: „Die Kinder haben dann die Chance nicht im Strafbuch eingetragene Regelverstöße zu beichten. Sollten sie etwas nicht beichten und wir wissen aber davon dann verdoppelt sich die Anzahl der Striche für das jeweilige Vergehen.“
Freitag ist also der Tag der Abrechnung in dieser Familie und man kann davon ausgehen, dass es noch hunderte anderer Familien gibt, in denen es ähnlich zugeht. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung legt man nämlich besonders in gebildeten Kreisen noch immer großen Wert auf eine konsequente Erziehung, die den Kindern Struktur und Halt vermittelt. Das Ergebnis sind dann Teenager, die sich zu benehmen wissen und bestimmte Werte verinnerlicht haben, denn: „Kinder brauchen klare Regeln und Strukturen. Nur so lernen sie, worauf es im Leben ankommt. Ohne Regeln zerfällt eine Gesellschaft irgendwann, was man ja noch nie deutlicher mitverfolgen konnte, als in unserer Zeit.“
Manchmal wundern sich Lehrer, die es ja heute vorwiegend mit Kindern zu tun haben, denen so etwas wie Erziehung absolut fremd ist, warum es immer wieder einzelne Schülerinnen und Schüler gibt, die noch die gute alte Höflichkeit drauf haben. Doch Eltern mit Durchblick reden selten über ihr Erfolgsrezept. Und sie hüten sich vor allem, darüber mit einem Lehrer zu reden, für den eine gewaltfreie Erziehung das Maß der Dinge ist und der vermutlich sogar auf die Idee kommt, dass wohlerzogene Kinder in Wirklichkeit traumatisierte Kinder sind, die ihr Kindsein nie ausleben konnten. Schließlich muss richtig sein, was all die gleichgeschalteten Pädagogen heute für richtig halten. Auch wenn der überwiegende Teil der Welt das völlig anders sieht.
„Unsere Drei wissen, dass es schmerzhafte Folgen hat, sich nicht an die Regeln zu halten. Meist vergeht so ein Freitagabend der Abrechnung, ohne dass sie die Konsequenzen für irgendein Fehlverhalten tragen müssen. Manchmal sind auch ein paar Klapse auf den Po nötig. Nur relativ selten ist eine richtige Tracht Prügel angesagt. Dann heißt es, mach dich frei bis zum Bauchnabel und leg dich über die Sofalehne, denn ein richtiges Vergehen hat richtige Striemen verdient.“