Als Jeans noch verboten waren

Als ich zur Schule ging, trugen die Jungs praktische Lederhosen und die Mächen hatten einen Rock an. Doch dann kam der Rock'n Roll und die amerikanische Mode schwappte auch nach Europa über. Plötzlich war es in, Jeans zu tragen und wer dabei sein wollte, ließ sich nur noch in blauen Beinkleidern amerikanischer Machart blicken.

Wobei eine Jeans nicht einfach eine Hose war. Nein, sie musste perfekt sitzen und so eng sein, dass es ein Problem war, sie überhaupt anzuziehen. Manche gingen sogar so weit, sich damit in die Badewanne zu legen, damit sie einlaufen und sich dabei perfekt an den Körper anpassen konnten. Besonders für ein Mädchen war das wichtig. Denn eine Jeans war ein Statement. Sie zeigte mehr als eigentlich schicklich war. Aber sie tat es auf weniger exhibitionistische Art als der seinerzeit ebenfalls modische Minirock. Mit der Folge, dass die Jungs zum ersten mal sahen, wie ein Weiberarsch wirklich aussieht und sich fragten, ob es sich wohl gut anfühlt, wenn die die Hose so eng ist, dass man das Geschlecht nicht mehr vermuten musste.

In meiner Heimatstadt gab es in den 60er Jahren einen katholischen Kinderhort. Dort verbrachten viele meiner Mitschüler die Nachmittage, weil die Eltern nicht zu Hause waren und ihre Söhne und Töchter unter Aufsicht wissen wollten. Aufsicht hatte dort vor allem Schwester Walpurga, eine alternde Nonne mit resolutem Auftritt und ihren ganz eigenen Ansichten von Erziehung. Wer hier nicht parierte, bekam den Rohrstock zu spüren. Den Jungs wurde dafür der Hosenboden stramnm gezogen. Den Mädchen wurde das Kleid über die Hüfte geschlagen und das Höschen straff zwischen die Pobacken gezogen. Sie hatten also die schlechteren Karten, denn sie bekamen den Stock gnadenlos auf das ungeschützte Fleisch zu spüren.

Damit das auch so blieb, war es Mädchen strikt verboten, in Hosen in den Hort zu kommen. Blue Jeans galten gar als Teufelszeug und wurden auch bei Jungs nicht gerne gesehen. Schwester Walpurga hatte eben ihre Vorlieben und war der Meinung, dass man mit Mädchen besonders streng verfahren müsse. Besonders, wenn ihnen allmählich Brüste wuchsen und sie es ihnen zwischen den Beinen kribbelte. Deshalb schlug sie bei den schon etwas weiter entwickelten Mädchen ganz besonders gnadenlos zu. Denn ihrer Meinung nach hatten diese schamlosen Dinger bestimmt schon ihre Finger da gehabt, wo es verboten war, und das durfte nicht ungestraft bleiben.

Auch die meisten Eltern taten sich in den 60ern schwer mit der aufmüpfigen Jugend, die aus dem Ruder zu laufen schien und angeblich keinen Sinn für Sitte und Anstand mehr hatte. Doch die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Die einen waren viel zu sehr mit Arbeiten und Geld verdienen beschäftigt, als sich um ihre heranwachsenden Töchter zu kümmern. Die anderen versuchten verbissen, ihre Töchter mit äußerster Strenge zu erziehen, um mit allen Mitteln zu verhindern, dass sie "Schande" über die Familie brachte.

In der Schule gab es daher zwei Gruppen von Mädchen, die meist nicht gut aufeinander zu sprechen waren. Die einen durften alles und waren immer nach der neuesten Mode angezogen. Die anderen mussten in biederen Kleidern herumlaufen und waren entsprechend neidisch. Die einen zwängten ihre Hintern in hautenge Jeans und provozierten ihre Umwelt mit Miniröcken, die jedem Erwachsenen die Schamröte ins Gesicht trieben. Die anderen konnten von solchen "modischen" Sachen nur träumen oder sparten sie sich vom Taschengeld ab, um sie heimlich anzuziehen, weil die Eltern natürlich davon nichts wissen durften.

Natürlich ging das nicht immer gut und so manche wurde auf offener Straße geohrfeigt, weil sie mit einer Jeans erwischt worden war, obwohl ihr doch strikt verboten war, so etwas anzuziehen. Zu Hause setzte es dann meist noch eine ordentliche Tracht Prügel. Natürlich, nachdem die Arme die Jeans ausgezogen hatte und vergeblich darum gefleht hatte, sich auch so anziehen zu dürfen, wie es alle durften.

Ach ja, natürlich waren die Mädchen, die alles durften, auch diejenigen, die sich schon früh mit Jungs "herumtrieben" und ihre ersten sexuellen Erfahrungen machten. Das Wissen dazu stand in der "Bravo" oder konnte in der "Jasmin" nachgelesen werden, wo ein gewisser Oswald Kolle die unwissenden Deutschen darüber aufklärte, wie das mit dem Orgasmus funktioniert.

Ach übrigens: eine vom vielen Waschen verschlissene oder gar zerrissene Jeans hätte sich damals kein Mädchen angezogen. Denn eine gute Jeans musste zwar getragen aussehen und sich wie eine zweite Haut um die Hüften schmiegen. Aber wenn sie alt aussah, zog man sie nur noch für die Gartenarbeit an und machte sich daran, eine neue Levis an die Besonderheiten des eigenen Körpers anzupassen.