So wurden sie schon immer bestraft

Eine Birkenrute trägt heute bestenfalls noch Knecht Ruprecht bei sich. Kinder kennen ihn als den freundlichen alten Mann vom Weihnachtsmarkt. Erwachsene erinnern sich an seinen Besuch am Weihnachtsabend und lachen darüber, dass sie in ihrer Jugend auf den verkleideten Onkel hereingefallen sind.

Doch was heute nur noch ein Symbol ist, hat in früheren Zeiten jedem jungen Mädchen das Fürchten gelehrt. Denn die Rute kannte es nur allzu gut. Sie war bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts das allgegenwärtige Zeichen elterlicher Erziehungsgewalt und wurde immer dann hervorgeholt, wenn es darum ging, die Sünden der eigenen Sprösslinge zu bestrafen und deren Gehorsam wiederherzustellen.

Geht man noch ein Jahrzehnte zurück, wird die Rute nicht nur als erprobtes Erziehungsmittel gelobt, sondern gehörte auch für so manche Ehefrau oder Magd zu den schmerzhaften Erinnerungen, die ihren Lebensweg begleiteten. Denn noch im 19. Jahrhundert musste eine ungehorsame Ehefrau genauso damit rechnen, von ihrem Herrn und Ehemann mit der Rute bestraft zu werden, wie es in den besser gestellten Kreisen üblich war, damit die Dienstboten zu Fleiß und Unterwürfigkeit anzuhalten.

Die Birke war also über viele Jahrhunderte hinweg ein äußerst gefragter Baum und so manche Magd wurde nach draußen geschickt um ein paar frische Sprösslinge zu schneiden, wenn wieder einmal eine Bestrafung angesagt war. Vielerorts gehörte es auch zur Tradition, eine Rute stets einsatzbereit zu halten, indem man sie in einem mit Wasser gefüllten Bottich lagerte, damit das Holz nicht austrocknete und bei aller Härte schön geschmeidig blieb.

Wobei hier ausdrücklich von der Birkenrute die Rede ist. Dieses schmerzhafte Instrument besteht nämlich aus einem ganzen Bündel dünner Zweige, die man sorgfältig von ihren Blättern befreit und an einem Ende zu einem Griff zusammengebunden hat. Bis zum 19. Jahrhundert war die Birenrute das bevorzugte Zuchtmittel und wurde sowohl im Strafvollzug als auch in Klöstern, Schulen und im Familienumfeld angewandt. Wobei man es damals für ganz selbstverständlich hielt, die Birkenrute auf das entblößte Fleisch zu applizieren. Während die Wucht der dünnen Zweige nämlichschon von zwei Lagen Stoffbekleidung weitgehend absorbiert wird, entfaltet das harte Holz auf nackter Haut eine äußerst schmerzhafte Wirkung und hinterlässt deutlich sichtbare Spuren, die bei einer besonders heftigen Bestrafung bis zu blutenden Verletzungen reichen können.

Erst mit der im 19. Jahrhunderts aufkommenden Prüderie nahm der Gebrauch der Rute immer mehr ab, da man es als zunehmend unschicklich empfand, insbesonders eine junge Dame zur Bestrafung zu entblößen. Ihre Aufgabe wurde daraufhin zunehmend von einem Rohrstock aus Bambus erfüllt, der eigens für diesen Zweck aus Asien importiert wurde.

Interessant ist übrigens die begriffliche Unterscheidung. Während nämlich eine Birkenrute, wie schon gesagt, aus mehreren sehr dünnen Sprösslingen bestand, die eine eher großflächige Wirkung erzeugten, wird in der Literatur auch immer wieder die Haselnussrute oder die Weidenrute erwähnt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein Bündel dünner Zweige, sondern lediglich um einen einzelnen Schössling, der ebenfalls seine Wirkung am besten entfaltet, wenn er frisch geschnitten und noch richtig schön flexibel ist.

Aufmerksamen Lesern meiner Bücher wird allerdings auffallen, dass ich mich hin und wieder ganz bewusst von dieser Unterscheidung löse. Während nämlich die Birkenrute eine ideale Kombination aus Flexibilität und Härte bietet, zeichnet sich ein Bündel aus dünnen Weidenruten durch eine geradezu unnahchahmliche Schmiegsdamkeit aus. Das verleiht ihr eine Wirkung, die irgendwo zwischen der klassischen Birkenrute und der Peitsche liegt. Ein Hieb mit einer sorgfältig zusammengestellten Weidenrute wird nicht nur tief in das elastische Fleisch eines weiblichen Hinterns eindringen. Die einzelnen Zweige werden dabei auch genau der Körperkontur folgen und ein Muster dünner, lang auslaufender Striemen hinterlassen, die sich über die Globen hinweg bis zu den Hüften hinziehen.

Vor Aufkommen des Rohrstocks war die Haselnuss- oder Wiedenrute im gesamten mittel-, ost- und nordamerikanischen Raum gebräuchlich und hat über viele Generationen hinweg entblößte Hintern jeden Alters zum Tanzen gebracht. Wobei des dem Erzieher überlassen blieb, welche Stärke er bevorzugte, um die gewünschte erzieherische Wirkung zu erzeugen. Der Überlieferung nach schien es jedoch Brauch zu sein, einen weiblichen Hintern eher mit einer dünnen, dafür aber umso schmiegameren Rute zu versohlen, während den Jungs die dickeren Ruten vorbehalten waren. Wobei natürlich auch die Schwere des Vergehens eine Rolle spielte.

Ich muss manchmal an die alten Sitten und Gebräuche denken, wenn ich an einem Gymnasium vorbei gehe und die rauchenden Teenager auf dem Schulhof sehe. Noch vor zwei Generationen galt dies als völlig inakzeptabel und die Betreffenden hätten unweigerlich eine Tracht Prügel mit der Rute oder dem Rohrstock bezogen. Heute hingegen wissen die meisten Mädchen gar nicht, wie sich eine Rute anfühlt, haben auch nie den stechenden Schmerz eines Rohrstocks gespürt und sind noch nie mit Striemen auf dem Hintern von der Schule nach Hause gekommen, um dort gleich noch einmal eine Tracht Prügel zu beziehen.