Religiöse Eiferer in Gottes Auftrag

Religiöse Fundamentalisten findet man nicht nur unter den Moslems, die ihre Frauen nur voll verhüllt auf die Straße lassen und Ehebrecherinnen gnadenlos auspeitschen. Auch in der christlichen Welt gibt es mehr als genügend Gruppierungen, für die ein zweitausend Jahre altes Buch das Gesetz Gottes ist, das über allem steht und wortwörtlich genommen wird. In Europa finden sie sich in den Sekten und Freikirchen, oder am rechten Rand der katholischen Kirche. In Amerika ist es die konservative Mitte, die ihr Land als „God‘s own country“ sieht und alles daran setzt, die christlichen Werte hochzuhalten.

Sie gehen jeden Sonntag in die Kirche. Sie sind gegen Pornografie. Sie stehen im Krieg gegen die Abtreibung. Sie verteufeln Sex vor der Ehe. Und sie sehen sich in der Pflicht, die ganze Welt zu ihrer Vorstellung vom Christentum zu bekehren. Gemeint sind die Evangelikalen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die dort traditionell eine gewichtige Stimme haben und hinter vielen Gesetzen stehen, über die man als Europäer nur den Kopf schütteln kann.

Gläubige hatten schon immer ein Problem mit Sexualität. Sex ist nach ihrer Denke nur erlaubt, wenn ein Pfarrer vorher seinen Segen dazu gegeben hat. Scheidung ist verpönt und ein uneheliches Kind lässt auf eine Mutter mit losem Lebenswandel schließen. Das bestätigen auch immer wieder deutsche Austauschschüler die ein paar Wochen in Amerika verbracht haben. Viele von ihnen haben bei der Gelegenheit staunend erfahren, dass amerikanische Mitschülerinnen stolz auf ihre Jungfräulichkeit und darüber hinaus fest entschlossen sind, sich unberührt für ihren künftigen Ehemann aufzubewahren.

Hierzulande ist es eigentlich die Regel dass eine Mutter mit ihrer Tochter zum Frauenarzt geht, sobald diese beginnt, sich für die Jungen in ihrer Klasse zu interessieren. Ein amerikanischer Teenager verliert darüber zu Hause besser kein Wort. Verständnis wäre ohnehin nicht zu erwarten. Wer noch nicht alt genug zum Heiraten ist, sollte schließlich über Sex noch nicht einmal nachdenken. Und wenn ein Mädchen die Pille verlangt, dann ist das ein zutiefst unmoralisches Ansinnen. Denn wer keine unsittlichen Handlungen vorhat, muss sich auch nicht vor Schwangerschaft schützen.

Während hierzulande schon die Grundschulkids lernen, was es mit Sex auf sich hat und genau darüber Bescheid wissen, was ein Mädchen von einem Jungen unterscheidet, bleibt das Thema in Amerika allein dem Elternhaus vorbehalten. Und dort kommt es dann meist erst zur Sprache, wenn es ohnehin nichts mehr zu besprechen gibt. Teenies, die ihre ersten sexuellen Erfahrungen bereits mit vierzehn haben, stammen drüben meist aus der Unterschicht und haben ohnehin keine Zukunft vor sich. Aber minderjährige Mütter gibt es nicht nur in den Slums. Denn wer über Verhütung nie aufgeklärt wurde, der läuft eben eher Gefahr, ungewollt schwanger zu werden.

Wobei die Evangelikalen nicht nur für ihre krude Sexualmoral bekannt sind. Sie haben auch einen ausgeprägten Hang zu den Werten der guten alten Zeit. „Spare the rod, spoil the child“ heißt daher noch immer die goldene Regel, wenn es um Erziehung geht. In Amerika gibt es keine Gesetzte, die es Eltern verbieten, die buchstäbliche Rute der Zucht anzuwenden. Also schlagen Eltern beherzt zu, wenn der Nachwuchs Anzeichen von Rebellion zeigt.

Allerdings ist das Lieblingsinstrument der Amerikaner nicht die Rute, sondern das Paddel, das sich jenseits des Atlantiks außerordentlicher Nachfrage erfreut. So ein Paddel – also ein flaches Brett mit Griff – kann äußerst schmerzhaft sein und bringt einen Hintern schnell zum Glühen. Aber das ist ja auch Sinn der Sache. Der „Seat of learning“, wie man das Ziel elterlicher Pflichterfüllung gerne nennt, wurde schließlich von Gott extra für diesen Zweck mit einer üppigen Polsterung versehen. Wobei ein weiblicher Hintern natürlich ganz besonders dazu prädestiniert ist, die Folgen von Ungehorsam in zu tragen.

In Europa wurde die Prügelstrafe an den Schulen schon vor Jahrzehnten abgeschafft. Hiesige Pädagogen sind stolz auf die gewaltfreie Erziehung, auch wenn besonders in Problemvierteln allmählich erste Zweifel auftauchen. In Amerika läuft die Entwicklung genau in die andere Richtung. Derzeit führt ein Bundesland nach dem anderen die körperliche Züchtigung wieder ein und Lehrer haben wieder das Recht, einen besonders aufmüpfigen Schüler kurzerhand über die Schulbank zu legen. Man verspricht sich davon wieder mehr Disziplin an den Schulen, die vor allem in vielen Ballungsgebieten praktisch nicht mehr vorhanden ist.