Vergewaltigung ist Pflicht, Prügel sind das Mindeste

Es war ein ägyptischer Rechtsanwalt, dessen Worte für Aufruhr in den europäischen Medien sorgten. Eine Frau, die in zerrissenen Jeans herumläuft, verdient es, vergewaltigt zu werden, war seine Überzeugung. Für einen gläubigen Moslem sei das geradezu Pflicht. Eine Denke mit der er unter Seinesgleichen ganz bestimmt nicht allein ist.

Ort der Aussage war eine belibte Talkshow im ägyptischen Fernsehen. Es ging um einen im Parlament diskutierten Gesetzentwurf zur „Eindämmung von Prostitution und Sittenverfall“. Auslöser war eine Auseinandersetzung, die schon seit längerer Zeit in dem islamischen Land geführt wurde. Dabei ging es um die Frage, ob anstößige Kleidungsstücke wie zum Beispiel zerfetzte Jeans an öffentlichen Plätzen und auch an den Schulen und Universitäten verboten werden sollten.

Anwalt Nabih al-Wahsh war für seine konservativen Ansichten bekannt.In der Sendung erklärte er, dass Mädchen und Frauen, die auf diese Weise ihren Körper zur Schau stellen würden, "keinerlei Selbstwertgefühl" hätten. "Würden Sie akzeptieren, dass ein Mädchen mit einem halb entblößten Oberschenkel auf der Straße läuft?“ lautete seine rhetorische Frage, auf die er auch gleich die Antwort gab: „Es ist eine patriotische, eine nationale Pflicht, sie zu belästigen und zu vergewaltigen.“

Der ägyptische Frauenverband (ja, so etwas gibt es wirklich) war natürlich entsetzt über diese Aussage. Das sei eine direkte Aufforderung zur Vergewaltigung und verstoße damit gegen die Verfassung. Doch Nabih al-Wahsh zeigte sich unbeeindruckt. Seine Aussage gelte selbst für seine eigene Tochter, meinte er. Auch sie würde eine Vergewaltigung verdienen, wenn sie zerrissene Jeans tragen würde. Eine Frau muss sich selbst respektieren, um von anderen respektiert zu werden, so seine Logik.

Nach einer Studie zählt die ägyptische Hauptstadt Kairo für Frauen zu den gefährlichsten Städten der Welt. Der Aufruf des gläubigen Rechtsanwalts dürfte daher in seinem Land auf fruchtbaren Boden stoßen.

Wissen beflügelt den Geist und weckt das Verlangen nach Freiheit. Vor allem ägyptische Studentinnen nehmen sich mehr Freiheiten als sich ihre Schwestern in anderen islamischen Ländern je erlauben. Und sie sind offensichtlich bereit, jeden auch noch so schrägen westlichen Modetrend aufzugreifen, auch wenn der auf die Männerwelt äußerst provozierend wirkt.

In diesem Land gilt es nämlich für eine Frau nicht nur als unsittlich, in westlichen Kleidern herumzulaufen, die nach der vorherrschenden männlichen Denke zu viel weibliche Haut zeigen. Auch hautenge Jeans, die dem Betrachter kaum Rätsel aufgeben, was die darunter liegende Anatomie angeht, sind alles andere als ungefährlich. Ein derart zur Schau gestellter Hintern ist für arabische Männerhände geradezu eine Aufforderung, begrabscht zu werden. Und wenn es sich dabei um einen heranwachsenden Teenager oder eine hübsche Studentin handelt, entwickeln die dazu gehörenden Köpfe ziemlich eindeutige Gedanken.

Vergewaltigung ist dabei nur eine Variante. Wer so rumläuft, schreit doch geradezu danach, so die landläufige Überzeugung. Ein deftiger Klaps ist die harmlosere Reaktion. Denn eigentlich hätte sie ja eine richtige Tracht Prügel verdient.

Die wiederum steht so mancher jungen Ägypterin bevor, wenn ihre Eltern sie in derart aufreizender Aufmachung auf der Straße sehen würden. Was die Erziehung von Töchtern angeht, verstehen nämlich Araber keinen Spaß und wenn so ein junges Ding die Ehre der Familie aufs Spiel gesetzt hat, muss ihr Vater einfach durchgreifen und sie auf die traditionelle Art und Weise bestrafen.

Dafür gibt es in jeder ägyptischen Familie einen Stock. Der ist meist fingerdick und besteht aus einem ausgesprochen hartem Holz, wie es an ganz bestimmten Böschen des Landes wächst. Er wurde eigens angeschafft, um eine ungehorsame, widerspenstige und unmoralische Töchter zurechtzuweisen. Die Striemen, die seine Anwendung hervorruft, sind äußerst eindrucksvoll und man wird noch Wochen später die letzten Spuren davon auf ihrer Haut erkennen können. Aber unter züchtig weiten Kleidern bleiben die Spuren einer Züchtigung schließlich zuverlässig vor fremden Blicken verborgen und niemand außerhalb der Familie wird erfahren, dass die junge Tochter erst vor ein paar Tagen gellende Schreie von  sich gegeben hat, während sie von ihrem Vater im Beisein der gesamten Familie bestraft wurde.

Eine ägyptische Jugendliche in westlicher Kleidung weiß genau, dass sie etwas tut, das von ihrer Familie missbilligt wird. Es ist daher nicht unüblich, dass eine junge Schülerin oder Studentin morgens in züchtig traditioneller Kleidung das Haus verlässt, um sich irgendwo unterwegs umzuziehen und ihre Schule oder Universität in dem Outfit zu erreichen, das sie als die moderne junge Frau ausweist, die sie gerne sein möchte.

Manche Väter bevorzugen auch eine Peitsche anstelle des Stocks. Es sind vor allem diejenigen, die darauf bestehen, ein Missetäterin zu entblößen, bevor sie ihr Striemen auf den Leib zeichnen. Das geflochtene Leder der Peitsche schmiegt sich mit jedem Hieb auf geradezu vollkommene Weise der Körperkontur des Mädchens an und erzeugt damit nicht nur besonders lange Striemen, die sich über weite Strecken hinziehen. Die Peitsche erreicht auch die besonders empfindlichen Körperregionen des Weibes, die für einen Stock kaum zu erreichen sind. Und sie löst keine ernsthaften und lang anhaltenden Verletzungen aus, sondern bringt lediglich die Hautoberfläche zum Brennen, ohne die tieferen  Schichten des Fleisches in Mitleidenschaft zu ziehen.

Ob Vergewaltigung, eine Tracht Prügel mit dem Stock oder ein Dutzend Peitschenhiebe, arabische Mädchen haben noch einen langen Weg vor sich und werden sich ihre Freiheiten auf schmerzhafte Weise erkämpfen müssen.