Gott sieht alles und seine Strafe ist gerecht

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Diese uralte Weisheit macht nicht nur den Staat zum Überwachungsstaat. Sie veranlasst auch kluge Männer dazu, einen genauen Blick auf das zu werfen, was die Freundin, Geliebte oder Ehefrau tut, wenn sie sich unbeobachtet wähnt. Ein Bedürfnis, das sich noch nie so einfach befriedigen ließ wie im Digitalzeitalter mit seinen omnipräsenten Handys, die mit jedem Schritt und Tritt eine Datenspur erzeugen.

In gläubigen Familien gehört der Spruch „Gott sieht alles“ zum gängigen Erziehungsritual. Vor dem Auge des Allwissenden bleibt nichts verborgen. Wer ungehorsam ist, wird seiner gerechten Strafe nicht entgehen. Heimliche Sünden werden unweigerlich ans Tageslicht kommen. Lügen nützt also nichts und die Zurechtweisung aus der Hand der Eltern ist immer noch besser als die Strafe des Allmächtigen.

Meine geschiedene Frau ist in der Karibik aufgewachsen. Dort gab es eine gesüßte Kondensmilch, die auf Kinder ein unwiderstehliche Anziehungskraft ausübte. Aber es war streng verboten, davon zu naschen,

denn die Milch war ausschließlich für den Kaffee der Erwachsenen gedacht.4Sie hatte natürlich davon genascht und weil es nicht auffallen sollte, hat sie Wasser in die Dose gefüllt, damit es nicht so auffiel. Was natürlich ziemlich dumm war und dazu führte, dass sie sich Stunden später mit ihrem Vater konfrontiert sah. Die Milchdose stand auf dem Küchentisch und das Mädchen wusste, was ihm blühte, wenn herauskam, dass sie es war, die heimlich davon genascht hatte. Also log sie, denn es hatte ja niemand gesehen.

„Gott sieht alles“, waren die Worte ihres Vaters, der natürlich keine Beweise hatte und sie in ihr Zimmer schickte. Sie solle vor ihrem Bett niederknien und beten. Wenn sie nichts getan hatte, musste sie auch nichts befürchten. Doch wenn sie gelogen hatte, hatte es auch Gott gehört und sie sollte ihn um Vergebung bitten.

Als ihr Vater zu ihr ins Zimmer kam, hielt er den gefürchteten Lederriemen in der Hand. Die folgende Befragung kam einer Inquisition gleich und am Ende hatte sie Tränen in den Augen und gab kleinlaut ihre Missetat zu. Gott hatte es schließlich gesehen und es war sein Wille, dass sie dafür bestraft wurde.

Sie kniete sich vor das Bett, wie sie es gewohnt war. Ihre Finger krallten sich in das Bettlaken, denn sie wusste, was ihr bevorstand. Ihr Kleidchen wurde vorüber geschlagen. Ihr Höschen wurde nach unten gestreift. Der Lederriemen tat, wozu er geschaffen worden war. Ihre gellenden Schreie waren durch das ganze Haus zu hören, während sich ein rot aufflammender Striemen neben dem anderen auf ihrem gerundeten Hintern abzeichnete.

Als ihre Bestrafung beendet war, zog sie ihr Höschen wieder hoch. Sie stricht sich ihr Kleid wieder zurecht und kniete sich vor ihren Vater. Sie küsste seine Hand und bedankte sich bei ihm, dass er sie liebevoll zurechtgewiesen hatte. Es war nicht das erste Mal, dass sie seinen Lederriemen gespürt hatte. Oder den Rohrstock. Oder eine Rute, deren Zweige sie zuvor selbst abgeschnitten und ihm überreicht hatte. Es war die Art wie man in der Karibik kleine Mädchen erzog. Damals, in den fünfziger Jahren.

Ihre letzte Tracht Prügel hat sie übrigens eine Woche vor unserer Hochzeit erhalten. Denn eine Tochter ist eine Tochter und solange sie unter dem Dach ihres Vaters lebt, ist sein Wort für sie Gesetz und sie hat zu tun, was er von ihr verlangt.

Die Geschichte fiel mir ein, als ich von FlexiSpy las. Das ist eine App für das Smartphone, das die von einem thailändischen Unternehmen angeboten wird. Sie ist natürlich in den meisten Ländern der westlichen Welt illegal, aber das tut ihrer Beliebtheit keinen Abbruch. Gut zwei Drittel der Käufer sind Männer, die damit die Frau an ihrer Seite überwachen. Wann war sie wo? Die App verrät es. Mit wem hat sie worüber telefoniert? Die App hat das Gespräch aufgezeichnet. Welche Verabredungen wurden per SMS getroffen? Die App gibt alle Informationen preis. Er kann sogar heimlich das Mikrofon ihres Handys einschalten und live mithören, worüber sie gerade spricht.

Der allwissende Gott taugt heute kaum noch als Drohmittel, denn die wenigsten Frauen knien abends vor dem Bett und beten. Doch das Digitalzeitalter hat dafür gesorgt, dass jeder von uns – und jede – pausenlos Datenspuren hinterlässt, die sich erfassen und auswerten lassen. Denn Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser und es liegt ganz an ihr, ob sie Geheimnisse vor ihm hat, oder ob er irgendwann gelangweilt abschaltet, weil hinter seinem Rücken nichts Verbotenes geschieht.

Ein Freund von mir hatte die App auf dem Handy seiner Freundin installiert. Er hatte schon immer den Verdacht, dass sie ihm etwas verheimlicht und es Dinge gibt, die er nicht erfahren darf. FlexiSpy hat ihm Gewissheit geliefert. Ja, es gab heimliche Treffen mit einem anderen Mann. Ja, sie betrog ihn und das vermutlich schon seit Monaten. Ja, er wollte sie verlassen. Aber vorher wollte er ihr noch eine Abreibung verpassen.

Eines Abends, als sie sich bettfertig gemacht hatte, konfrontierte er sie. Nein, von der App erzählte er ihr nicht. Er behauptete einfach, sie zufällig in dem Lokal gesehen zu haben, in dem ihre konspirativen Treffen stattfanden. Er rechnete ihr vor, wie lange sie in seiner Wohnung gewesen war. Er zog seinen Lederriemen aus der Hose und verdrosch sie nach Strich und Faden, bevor er sie aus dem Haus und aus seinem Leben warf.

Sie glaubt vermutlich noch heute an den Zufall. Und sie wird den Abschied von ihm nie vergessen, denn sie weiß nur zu gut dass sie zu Recht bestraft wurde wie ein kleines unartiges Mädchen.